Janteloven

Lingoda

Janteloven: Das ungeschriebene Gesetz in Norwegen

Nachdem Sie eine Weile in Norwegen gelebt haben, fragen Sie sich vielleicht, warum die Menschen im Alltag oft von Janteloven sprechen. Janteloven, auch als Jante-Gesetz bekannt, beschreibt ein Verhaltensmuster, das die norwegische und skandinavische Kultur prägt. Es stellt das Gemeinwohl über das Individuum, fördert Bescheidenheit, und verurteilt Prahlerei und Neid.

Obwohl man denken könnte, dass Janteloven bewusst angewendet wird, gibt es keine „Jante-Polizei“, die Menschen auf der Straße überwacht. Die Wirkung dieses Gesetzes ist subtil und durchdringt jede Familie, jede Person, jeden Arbeitsplatz und jede Schule. Es sorgt dafür, dass sich Menschen nicht wegen bestimmter Dinge schlecht fühlen.

Die Ursprünge von Janteloven

Janteloven geht auf Aksel Sandemose zurück, einen dänischen Schriftsteller, der in Norwegen geboren wurde. In seinen Romanen beschreibt er die „Gesetze“ einer kleinen dänischen Stadt. Diese Gesetze betonen das kollektive Wohlergehen und den Erfolg der Gemeinschaft und entmutigen den Fokus auf individuelle Errungenschaften.

Die zehn Regeln von Jante

  1. Du sollst nicht glauben, dass du etwas Besonderes bist.
  2. Du sollst nicht glauben, dass du so gut bist wie wir.
  3. Du sollst nicht glauben, dass du klüger bist als wir.
  4. Du sollst dir nicht einbilden, dass du besser bist als wir.
  5. Du sollst nicht glauben, dass du mehr weißt als wir.
  6. Du sollst nicht glauben, dass du wichtiger bist als wir.
  7. Du sollst nicht glauben, dass du zu etwas taugst.
  8. Du sollst nicht über uns lachen.
  9. Du sollst nicht glauben, dass sich jemand um dich kümmert.
  10. Du sollst nicht glauben, dass du uns etwas beibringen kannst.

Im Vergleich zu anderen Nationen sind die kulturellen Normen von Janteloven einzigartig, da sie den sozialen Frieden fördern und die Gleichheit wahren. Um die starke Anwendung dieses Gesetzes in Skandinavien zu verstehen, muss man sich deren allgemeine Kultur ansehen. Sie legen großen Wert auf Gleichberechtigung, sowohl am Arbeitsplatz als auch zu Hause.

Wie wird Janteloven angewendet?

Das Gesetz ist allgegenwärtig und prägt fast alle Aspekte des täglichen Lebens in Norwegen und Dänemark. Es gibt keine „Sondereinheit der Jante-Polizei“, die enttäuschte skandinavische Polizisten auf Ego-Verstöße überwacht. Dennoch zeigt sich das Gesetz subtil im Alltag, beispielsweise wenn eine Mutter ihr Kind tadelt, weil es mit seinen Erfolgen prahlt.

Während in anderen Ländern Vorgesetzte mit ihren Mitarbeitern sprechen, findet in Skandinavien ein Dialog statt. Mitarbeiter haben die Möglichkeit, ihre Meinung zu äußern und Ideen einzubringen, ohne dass jemand als überlegen angesehen wird.

Das Gesetz hat dazu beigetragen, ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, und die skandinavischen Länder gehören zu den Ländern mit der geringsten Einkommensungleichheit laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

Janteloven als Symbol für strukturelle Zensur und Macht

Janteloven gilt als einigendes Prinzip, nach dem das Wohl der Nation über dem des Einzelnen steht. Ein bekannter norwegischer Sportler muss beispielsweise vorsichtig sein, wie er über Norwegen spricht, da negative Äußerungen als unrechtmäßig angesehen werden könnten. Auch Spitzensportler sollten den Gedanken der Gleichstellung unterstützen.

Janteloven wirkt auch als Klassifizierungsprinzip, da es Grenzen zwischen dem Kollektiv und dem Individuum zieht. Es definiert nicht die Elemente einer Gruppe, sondern stellt individuelle, strafbare Merkmale heraus.

In Norwegen stärkt Janteloven die hegemoniale Ideologie, die der Nation Vorrang einräumt. CEOs haben nicht das Recht, sich als überlegen darzustellen. Stattdessen sollte der Fokus darauf liegen, dass das Produkt von der Gemeinschaft akzeptiert wird.

Janteloven in der Werbung

Janteloven rät davon ab, Konkurrenten bei privaten Treffen oder in der Werbung schlechtzumachen. Wer das Jante-Gesetz im Geschäftsleben respektiert, lässt andere erklären, warum das eigene Produkt besser ist als das der Konkurrenz.

Was können internationale Reisende von Janteloven lernen?

Die zehn Regeln beschreiben das tägliche Leben in Jante, und eine Abweichung von ihnen wird als strafbare Handlung betrachtet. In skandinavischen Ländern werden individuelle Ambitionen, Humor, kritisches Denken, Selbstwertgefühl und Kreativität oft unterdrückt, um das soziale Gleichgewicht zu wahren. Doch jeder Mensch hat persönliche Ziele und Vorstellungen. Das Problem, alles als gemeinschaftlich zu betrachten, kann entmutigend wirken, denn damit Menschen existieren können, muss es auch ein „Ich“ geben.

In der heutigen Welt, die von sozialen Medien wie Facebook, Instagram und WhatsApp dominiert wird, wird Reisen oft als eine Möglichkeit gesehen, sich von anderen abzuheben. Fotos von berühmten Sehenswürdigkeiten und Reiselifestyles lassen andere glauben, dass das Leben perfekt ist. Dennoch sollte man beispielsweise nicht einfach in einen buddhistischen Tempel gehen und Fotos machen.

Bevor man handelt, sollte man die Auswirkungen auf sich selbst und andere bedenken. Dies lehrt Janteloven. Die Regeln sollten auch beim Reisen beachtet werden, besonders wenn sie zur Sicherheit des Einzelnen beitragen und eine Bereicherung für die Wirtschaft, die Umwelt und die Kultur des Gastlandes darstellen.

Ist es Zeit für Veränderungen?

Obwohl Skandinavien oft als Utopie betrachtet wird, gibt es in Norwegen eine wachsende Anti-Janteloven-Bewegung. Einige Norweger sind der Meinung, dass das Konzept der Anti-Prahlerei die Nation von größeren Erfolgen abhält.

In einem Interview sagte die Unternehmerin Anita Krohn Traaseth: „Eines der größten Hindernisse für eine Startup-Kultur in Norwegen ist der Mangel an Selbstbewusstsein. Saul Singer war vor zwei Wochen in Oslo und erzählte uns, dass das erste Wort, das ihm die Norweger nannten, Janteloven war. Was für eine Botschaft ist das für die nächste Generation von Unternehmern?“

Auf diese Weise scheinen die gesellschaftlichen Normen die Unternehmer daran zu hindern, ihr volles Potenzial auszuschöpfen.

Lingoda